Einführung

Evolution.

In seinem Buch "Der blinde Uhrmacher" empfiehlt Richard Dawkins, sich einen endlosen Raum vorzustellen, um sich die Funktionsweise der Evolution zu veranschaulichen. Er benutzt dazu ein Programm, das Formen (stehen für Lebensformen) auf die eine oder andere Weise variiert neben den anderen abbilden kann. So entstehen um jede Figur, die der Computer zeichnet, mehrere Abwandlungen der ursprünglichen Form, die nach jeweils zwei oder mehr unterschiedlichen Gesichtspunkten voneinander abweichen. In der Realität kommen nun durch Mutation einer bestehenden Lebensform diese leicht Veränderten in die Welt.

Als ich diese Stelle las, musste ich das Buch kurz beiseite legen.

Dieser Ansatz kam mir fast religiös vor. Es ist eine abstrakte aber treffende Vorstellung dessen, was passiert. Man denkt also an die vielen Variationen, die die Erde schon bevölkert haben. Wie sie in diese Welt kamen und hofften einen Platz vorzufinden, der sie wärmt, nährt, lehrt. Wo sie springen, schwimmen, laufen, fliegen, atmen können. Ja, wie jeder Säugling, jedes neue Leben sich darauf freut, wenn es aus diesem unendlichen Raum der namenlosen Möglichkeiten in die Wirklichkeit kommt, seine Relevanz zu erproben.
Man denkt bei sich, wie viele scheitern, weil sie zu viel Energie für vermeintlich Unnötiges verschwenden, oder einfach Pech haben und wie die Wirklichkeit viele solcher Variationen trotzdem duldet.
Einfach aus Spaß.
Einfach dank der Fülle der Natur. Zumindest sollte das so sein.

Ich fand viele Gemeinsamkeiten mit religiösen Gedanken und ein tiefes Gefühl der Ehrfurcht, für die "Schöpfung" in diesem Modell.

Und ich empfand sie als eine schlagende Widerlegung einiger Vorwürfe dem Atheismus gegenüber. Dass seine Welt entgeistert sei, bedeutungslos, wertlos. Dass er Nihilismus fördere und melancholisch mache. Und sogar: Dass der Mensch den Glauben aufgrund seiner evolutionären Entwicklung zum Glücklichsein braucht.

Letzteres widerlegt Dawkins ja nicht, sondern beantwortet mit einem breiten Lächeln, wie er das Problem löst.

Sogar Faschismus soll mit dem Atheismus einher gehen. Hier nun stelle ich Dawkins, der in meinen Augen so souverän einen ganz anderen Ansatz gezeigt hat, dem so oft unterstellten, eher destruktiven Element der Evolutionstheorie, dem Prinzip des Überlebens des Stärkeren, gegenüber.

Dass er, der nach Möglichkeiten und Intellekt Überlegene, sobald er erkennt, dass die Evolution ihn umgibt, zu dem Schluss kommen muss, dass die Erde so vielen unterschiedlichen Variationen wie möglich einen artgerechten Lebensraum bieten sollte. Nur dann kann er auch selbst artgerecht und in Frieden leben. Lebensformen scheinen diesen Ansatz als Gefühl in sich zu tragen, wenn es nicht durch abstrakte Ideologien überlagert ist.

Das ist doch mal ein Gebot. Ich weiß nicht, was es bringt, aber ich möchte hier weitere Beispiele für ein religiöses atheistisches Weltbild sammeln und es somit umreißen und auch Grenzen zu New Age und anderen Sichtweisen ziehen, die viele Menschen, die das Bedürfnis haben, dazu verlocken die Welt durch allerlei religiöse Ideen mit Werten anzureichern. Mein Eindruck ist, dass die Wahrheit genug bereit hält, woran man glauben kann und was das Leben bereichert.
Ich wünsche viel Spaß.

Samstag, 20. Oktober 2012

Die kulturelle Vorbelastung des Atheisten

Bis vor ca. 60 Jahren folgten den Kirchen einmal viele Gläubige.
1950 lag der Anteil der Konfessionslosen bei nur 3,6 %.
Heute sind es 37, 2%. Und das, obwohl die Konfession den meisten von uns in die Wiege gelegt wird.

Natürlich freut man sich als Humanist über solche Zahlen, doch verraten sie noch viel mehr und sollen mir helfen, ein weiteres Gedankenmodell darzulegen. Verstehen Sie eigentlich, was es bedeutet, dass wir bis vor gar nicht all zu langer Zeit noch alle versuchten nach den "Gesetzen Gottes" zu leben? Nein? Ich auch nicht. Also:

Die Religion bedeutete durch ihre rudimentären Gesetze vor allem ein unheimliches Verwandlungspotential, die der Mensch durch seine Selbstzähmung mitgemacht hat. Noch kein Tier hat seine eigene Evolution so maßgeblich selbst beeinflusst wie der Mensch. Ich weiß, dass ich den Begriff Evolution hier etwas dehne. Dabei möchte ich darauf hinweisen, dass sich der Mensch, wenn man so will, sogar selbst züchtet, da er schon seit Ewigkeiten seine Partner nach kulturellen Gesichtspunkten aussucht. Eine so unwahrscheinliche Leistung, dass man sie durchaus als die eigentliche Leistung der Religion bezeichnen kann. Denn schließlich hat sie sehr stark mitbestimmt, was unsere kulturellen Gesichtspunkte sind, auch wenn diese sich nicht unbedingt mit den Gesetzen decken, die sich die jeweilige Religion sich für die Menschen wünscht.


Kommen wir nun zum Punkt: Selbst wenn einer behauptet, er könne ganz gut ohne Religion leben, so lebt er doch in einer durch sie geprägten Welt und kann daher wohl kaum abschätzen, was wäre, wenn wir ihr schon lange abgeschworen hätten.
Noch vor 400 Jahren konnte man nicht in den Wald gehen, ohne Angst haben zu müssen. Damals glaubte man noch an Werwölfe, die keine Regeln kannten und fraßen, was ihnen vor die Schnauze kam. Diese Geschichten rührten natürlich von ungezähmten Menschen her, die sich in den Augen der Domestizierten eher wie Tiere verhielten.
Heute haben die Flurbereinigung und die erdrückende Präsenz der Religionsgemeinschaften und Gemeinden, zu denen sich Bauern, Handwerker und andere zivilisierte Menschen vor allem auch zum Schutz zusammenschlossen, alle "natürlich" lebenden Menschen verdrängt.
Wenn sie beispielsweise beim Wandern an einem Haus vorüber kommen und klopfen würden, stellen sie fest, dass sie auf jeden Fall eher Gastfreundschaft als Feindseligkeit erwarten. Was glauben Sie, woher das kommt? Versuchen Sie das mal bei einem Dachsbau. Das funktioniert natürlich auch nur, weil der andere damit rechnen kann, dass Sie ähnliche gesellschaftliche Konventionen verinnerlicht haben wie er. Deshalb spreche ich auch immer von einer kulturellen Evolution. Denn es spielt bei einer evolutionären Veränderung selbstverständlich auch immer das Gegenüber eine Rolle. Veränderungen des Verhaltens betreffen, wie auch Veränderungen der Gestalt, immer auch Abläufe innerhalb einer bestimmten Spezies. So treten Individuen einer Gattung dann in Wechselwirkung. Wie zum Beispiel bei Pfauen: Pfaunenmännchen und Pfauenweibchen sind beide für die bemerkenswerte Ausprägung des Rades des Männchens verantwortlich. Vornehmlich hier sogar die Weibchen. Deshalb gibt dieser Umstand ein besonders gutes Beispiel ab. Die Weibchen fingen an, Männchen zu bevorzugen, die Energie dafür aufwenden konnten, prächtigere Schwanzfedern zu entwickeln. Sozusagen ein Statussymbol für gut in die Natur integrierte Männchen. Und dieser Entwicklung setzte sich durch, obwohl die Männchen wegen der immensen Kraftanstrengung darunter zu leiden haben und natürlich auch leichter sterben.

Ich gehe davon aus, dass dies bei dem Einfluss durch Religionen und ihren Gesetzen des Miteinanders ähnlich ablief. Die Zusammenrottungen von Menschen, die sich eher an diese Regeln hielten und somit einen Konsens fanden, funktionierten besser. Diese Regeln bedeuteten ja nicht nur Pflichten, sondern zunächst auch, bevor sie (bei uns) durch humanistische und juristische Gesetze überlagert wurden, Rechte, Freiräume und mehr Sicherheit. Die Individuen in diesen Gemeinschaften konnten sich auf bestimmte Vorurteile, die sie über bestimmte Werte von für sie Fremde hatten, die allerdings derselben Gemeinschaft angehörten, verlassen. Was für eine Befreiung! Man kann ja überall beobachten, wie der positive Effekt auf Gesellschaften zu immer mehr Konventionen geführt hat. So prägt uns die Religion fast schon, seit wir Menschen auf der Welt sind. Denn auch Vorstellungen über ihre Umgebung, sobald die Menschheit in ihrer Frühzeit anfing sie miteinander zu teilen, hatten religiösen Charakter. Sie beruhten stark auf Vermutungen und Glauben.



Wir sind also nun so sehr durch das Christentum geprägt, dass wir gar nicht anders können, als uns wie christliche Menschen zu verhalten. Das freie Wochenende und die 5 Arbeitstage sind nur die Spitze des Eisbergs. Die offensichtlichsten und geringsten der christlichen Werte, die wir teilen. Allein die Erfindung der Uhr hat auf diesen Bereich unseres Lebens einen grösseren Einfluss gehabt.

Doch müssen wir der Religion auch wenn es dem Intellekt wiederstrebt dankbar sein? Ich denke nicht. Wenn man sich betrachtet, was unser Weltbild der restlichen Tierwelt antut, der so genannten 3. Welt angetan hat und dem nahen Osten noch antun wird.
Dabei müsste die Kirche dem nahen Osten am dankbarsten sein. Egal, sie ist ja mittlerweile natürlich nicht allein für unser Weltbild verantwortlich. Ich denke Gruppen, die sich unterscheiden waren niemals sehr nett zu einander. Und je größer die Gruppen sind, desto brutaler ist ihre Geschichte. Also ist es ganz egal, wie und wodurch sie sich unterscheiden. Es kann sich genauso um politische Systeme oder marktwirtschaftliche Modelle handeln. Doch diese sind den meisten Menschen noch nicht erprobt genug, sie sind ihnen zu abstrakt, oder sie versuchen sie mit ihren religiösen Anschauungen zu kombinieren, was oft eine enorme intellektuelle Belastung darstellt, die manche Menschen einfach nicht bereit sind aufzubringen.

Deshalb muss ich mich immer beherrschen wenn ich von Leuten höre, die behaupten zu Odin oder ähnlichem zurückgefunden zu haben. Alles Jecken.

Das befriedigende an der Sache ist, dass man viel besser über sein Weltbild reflektieren kann, wenn man sich dieser Kräfte bewusst ist.

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